Von: Freifunk Hamburg Betreff: Aw: Referentenentwurf Telemediengesetz Datum: 2015-Apr.-25 18:41:25 MESZ An: Kahrs Johannes Sehr geehrter Herr Kahrs, sehr geehrter Referent von Herrn Kahrs,   vielen Dank für Ihr Antwortschreiben. Wir haben uns im Folgenden Ihren Punkten angenommen.   "Konkret bedeutet dass, das ein Dienstanbieter, der einen Internetzugang geschäftsmäßig oder als öffentliche Einrichtung anbietet [...]": Daraus folgt eine Ungleichbehandlung zwischen den vorgenannten und privaten Anbietern. Wir sehen keine gewichtigen Gründe dieses zu rechtfertigen.    "[...] angemessene Sicherungsmaßnahmen 'durch anerkannte Verschlüsselungsverfahren oder vergleichbare Maßnahmen' ergreifen muss, um in den Genuss der Haftungsprivilegierung zu kommen.": Zunächst schützt Verschlüsselung des WLANs lediglich die Funkstrecke von wenigen Metern vom Endgerät zum Zugangspunkt - nicht mehr und nicht weniger. Da danach alles unverschlüsselt durch das Netz läuft, wird weder der Anwender noch sonst irgendwer vor irgendetwas geschützt. Auch verhindert dies nicht den Zugriff auf das WLAN, schließlich reden wir in diesem Gesetzesentwurf von offenen WLANs (wieder ein Widerspruch, da offene WLANs per Definition unverschlüsselt auf der Funkstrecke sind - sonst ist das Netz geschlossen). Um das Netz dennoch zu öffnen, muss der Schlüssel also publiziert werden, was die Verschlüsselung - selbst auf diesem kleinen Teilstück der Verbindung - endgültig ad absurdum führt.   "Diese Verschlüsselungsverfahren sind nicht zuletzt auch deswegen notwendig, weil sie das Kommunikationsgeheimnis der Nutzerinnen und Nutzer von Funknetzen schützen können.": In diesem Zusammenhang ist das leider falsch. Wie oben erwähnt, werden nur wenige Meter Funkstrecke je nach Verfahren gut bis relativ mäßig geschützt. Als sicher zu betrachten ist lediglich Ende-zu-Ende Verschlüsselung zwischen den Kommunikationspartnern. Dies hat mit Verschlüsselung der Funkstrecke nichts zu tun. Wird die Verschlüsselung an eine dritte Partei abgetreten (wie etwa bei De-Mail) ist sie vollkommen sinnlos. Der von Ihnen zitierte Satz stammt übrigens aus der Rechtsprechung des BGH. Allerdings ist er aus dem Zusammenhang gerissen: der BGH hat sich bisher noch nicht mit öffentlichen WLANs auseinander gesetzt, sondern rein mit privaten. Für ein öffentliches WLAN hätte er sicher keine Verschlüsselung gefordert, weil jedem, der mal eins genutzt hat, klar ist, dass er dann nicht mehr hineinkommt. Auch vermischen sich hier zwei grundlegend verschiedene Dinge: IT-Sicherheit und die Frage der Haftung. Das eine hat mit dem anderen per se erst einmal nichts zu tun. Wer ein öffentliches WLAN betreibt, der kann sich selbst durch andere Maßnahmen schützen (siehe Freifunk). IT-Sicherheit kann also auch ohne Verschlüsselung der Funkstrecke hergestellt werden.   "Zusätzlich darf er sein Funknetz nur denjenigen Nutzern zur Verfügung stellen, die erklärt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen.": Es ist schwierig, diesem Satz ohne Schmunzeln zu begegnen. Das ist allenfalls ein Placebo. Auch haben wir in Deutschland kein Gesinnungsstrafrecht - es spielt also keine Rolle, was angekreuzt wurde.   "Dabei soll der Anschlussinhaber selbst darüber entscheiden können, in welcher Form er sich dies zusichern lässt.": Dies schafft Rechtsunsicherheit, bei der das eine Gericht entscheidet, dass eine Maßnahme ausreichend und zumutbar ist, während das nächste Gericht anders entscheidet - so wie es bei der derzeitigen Auslegung der Anwendbarkeit einer Störerhaftung auf das Internet auch ist.   "Außerdem werden private WLAN-Anbieter von weiteren Pflichten wie der Protokolierungspflicht entbunden, wenn sie die Namen ihrer Nutzer über eine Registrierung erfassen.": Welche Protokolierungspflicht sprechen Sie hier an? Wie sollen die Namen der Nutzer erfasst werden? Durch Eingabe in ein Formular? Da kann man auch "Mickey Mouse" eingeben. Oder durch Kopieren des Personalausweises: unzumutbar und datenschutzrechtlich nicht machbar.  Selbst angenommen man hätte irgendwie die echten Namen und würde akribisch darüber buchführen, bringen diese nichts ohne eine Vorratsdatenspeicherung - also volles Aufzeichnung aller Verbindungsdaten aller Nutzer. Von dem damit verbundenen erheblichen technischen Aufwand abgesehen, der für kommerzielle Anbieter nur unter erheblichen Kosten und private gar nicht zu bewerkstelligen wäre, bringen die Namen alleine nichts solange man sie nicht den Verbindungen zuordnen kann. Die Vorratsdatenspeichspeicherung widerspricht allerdings Art. 10 GG und wurde vom Bundesverfassungsgericht als Verfassungswidrig und vom EuGH als unzulässig erkannt.    "Der vorliegende Entwurf schafft rechtliche Klarheit, wie WLAN-Betreiber ausschließen können, dass sie für Rechtsverletzungen anderer haften müssen.": Die obigen Punkte haben gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Wenn es Rechtsicherheit schafft, dann in dem Sinne, dass man sich als Privatperson sicher vor Gericht wiederfindet, sollte man ein echtes offenen WLAN bereitstellen.   "Wir in der Fraktion sind uns sicher, dass diese Klarstellung dem Ausbau öffentlich zugänglicher Hotspots einen Schub geben und die Nutzung vorhandener WLAN-Infrastrukturen erleichtern wird.": Die Netzpolitiker Ihrer eigenen Fraktion, und genau genommen die aller im Bundestag vertretenen Fraktionen, sowie diverse Wirtschafts- und Verbraucherverbände teilen diese Einschätzung nicht. Sie haben sich überaus kritisch zu dem Entwurf geäußert:  http://freifunkstattangst.de/2015/04/13/nur-kritische-stimmen-bisher-veroeffentlichte-stellungnahmen-zur-geplanten-aenderung-des-telemediengesetzes/     Kern und Angelpunkt des gesamten TMG-E scheint die Annahme zu sein, die Bundesrepublik bestünde aus 82 Millionen Verwertungsrechtverletzern und Straftätern, wenigstens sobald niemand hinguckt. Daraus wird der Schluss gezogen, die Rechtsgüterabwegung müsste dahingehend korrigiert werden, dass angenommene Straftaten und Zivilrechtsverstöße auf Kosten freier Netze und dem freien Zugang zu Informationen zu verhindern sein. Dabei werden Kollateralschäden, wie das Zurückfallen der deutschen Wirtschaft im internationalen Vergleich, billigend in Kauf genommen.   Das echte offene Netze zu mehr Missbrauch führten ist ein Argument, was derartig plausibel klingt, dass niemand sich die Mühe macht darüber mal Zahlen zu erheben, um es erhärten.    Wir und andere haben es getan. Freifunk Hamburg betreibt 700-800 Zugänge mit derzeit bis zu 1400 gleichzeitig aktiven Endgeräten. Monatlich transferieren wir dutzende Terabytes. Seit Anfang des Jahres betreiben wir ein eigenes Autonomes System, welches in Deutschland terminiert. Missbrauchsmeldungen schlagen also bei uns als Betreiber auf. Wie viel Missbrauchsmeldungen hat es bisher gegeben? Exakt 0.   Auch das Medienamt Berlin-Brandenburg führt darüber Statistik. Sie fördern nicht nur die Berliner Freifunker, sondern auch die Berliner Kabel Deutschland Hotspots. Das MABB schreibt: "Ein Missbrauch seitens der Nutzer wurde im Rahmen dieses Projektes nicht festgestellt." Auch sie kritisieren den Entwurf scharf: http://www.mabb.de/files/content/document/Stellungnahmen/mabb_Stellungnahme_BMWi_TMGAendG.pdf   Es ist also nicht belegbar, dass offene Netze zu mehr Missbrauch führen. Die Zahlen sagen das Gegenteil.     Wir wissen, dass hier um einen komplexen Sachverhalt handelt, der nicht nur gesellschaftliche und wirtschaftliche Verantwortung beinhaltet, sondern auch viel technisches Hintergrundwissen benötigt, um ihn adäquat bewerten zu können. Wir sind diejenigen, die Deutschlandweit mehr als 11.000 freie offene Zugänge betreiben - die tun wovon andere reden. Gehen Sie auf unsere Argumente ein und nutzen Sie unsere Expertise. Wir sagen Ihnen: Der TMG-E wird exakt das Gegenteil vom öffentlich propagierten Ziel erreichen und freie Netze verhindern.   Für Fachberatung stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Wir würden uns sehr über ein persönliches Gespräch freuen.   Mit freundlichen Grüßen, Freifunk Hamburg       Am 2015-04-13 um 11:43 schrieb Kahrs Johannes : Sehr geehrter Herr Anders, sehr geehrter Herr Krüger, sehr geehrter Herr Schmidt,  Zunächst möchte ich Ihnen vielmals für Ihre Kritik bezüglich des Gesetzentwurfes zur Änderung des Telemediengesetzes danken.  Auch wir in der SPD-Fraktion hätten uns einen offensiveren Entwurf aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorstellen können. Ähnlich wie Sie, bin ich der Auffassung, dass es in Deutschland einen Mangel an öffentlich zugänglichen WLAN-Netzwerken gibt. Ich denke aber, dass der neue Entwurf zum Telemediengesetz ein erster, kleiner Schritt in Richtung mehr öffentliches WLAN in Deutschland ist.  Der neue Entwurf klärt entscheidende Punkte bezüglich der rechtlichen Sicherheit von privaten und öffentlichen WLAN-Betreibern, wie zB. die Haftungsprivilegierung der WLAN-Anbieter. Zunächst wird in §8 Abs. 3 des Entwurfes eindeutig klargestellt, dass WLAN-Anbieter wie Access-Provider zu behandeln sind.  In §8 Abs.4 und 5 wird zudem klargestellt, das für Anbieter von WLAN auch eine Haftung als Störer nicht in Betracht kommt, wenn diese bestimmt Sorgfaltspflichten erfüllt haben. Konkret bedeutet dass, das ein Dienstanbieter, der einen Internetzugang geschäftsmäßig oder als öffentliche Einrichtung anbietet, angemessene Sicherungsmaßnahmen "durch anerkannte Verschlüsselungsverfahren oder vergleichbare Maßnahmen" ergreifen muss, um in den Genuss der Haftungsprivilegierung zu kommen. Diese Verschlüsselungsverfahren sind nicht zuletzt auch deswegen notwendig, weil sie das Kommunikationsgeheimnis der Nutzerinnen und Nutzer von Funknetzen schützen können. Zusätzlich darf er sein Funknetz nur denjenigen Nutzern zur Verfügung stellen, die erklärt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen. Dabei soll der Anschlussinhaber selbst darüber entscheiden können, in welcher Form er sich dies zusichern lässt. Denkbar sind nach dem neuen Entwurf, eine Vorschaltseite, auf der der Nutzer ein Häkchen setzt, aber auch niedrigschwellige Einwilligung, etwa durch Aushang oder AGB. Außerdem werden private WLAN-Anbieter von weiteren Pflichten wie der Protokolierungspflicht entbunden, wenn sie die Namen ihrer Nutzer über eine Registrierung erfassen.  Der vorliegende Entwurf schafft rechtliche Klarheit, wie WLAN-Betreiber ausschließen können, dass sie für Rechtsverletzungen anderer haften müssen. Wir in der Fraktion sind uns sicher, dass diese Klarstellung dem Ausbau öffentlich zugänglicher Hotspots einen Schub geben und die Nutzung vorhandener WLAN-Infrastrukturen erleichtern wird.  Mit fröhlichem Gruß  Johannes Kahrs